Ein freies Projekt aus dem Mai 2024:

Tatsächlich ein Fest des Tanzes

Nach einem schweren Unwetterschaden am Dach des Vereinsgebäudes, der das Parkett im Saal des ausrichtenden TTC Rot-Gold Köln unter Wasser gesetzt hatte, standen die Deutschen Meisterschaften im Equality Tanzsport vor dem Aus. Dank des Engagements vieler Freiwilliger wurde es dann doch zu einem Ereignis, das den Tanzsport „in all seinen Facetten zelebriert“, wie es die TTC-Vorsitzende Sofia Bogdanova formuliert. Auch 2024 gab es somit tänzerische Höchstleistungen in gewohnt familiärer Atmosphäre.

 

Von Achim Graf

Sarah Borchert und Ute Graffenberger bei den Deutschen Meisterschaften im Equality Tanz 2024 in Köln.
Fotos: Achim Graf

Es war wie ein kleines Wunder: Anfang Mai stand die gesamte Veranstaltung noch auf der Kippe, drei Wochen später erlebten Tanzbegeisterte aus ganz Europa ein hochkarätiges Turnier – und tatsächlich ein Fest des Tanzes. Den 19. Internationalen Offenen Deutschen Meisterschaften für Frauen- und Männerpaare drohte nach einem Wasser-schaden durch ein undichtes Dach im großen Saal des ausrichtenden TTC Rot-Gold Köln e.V. das Aus. Doch durch das Engagement vieler Freiwilliger wurde am Pfingstwochenende nicht nur getanzt. Jörg Jüngling, Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Equality Tanzsport (DVET) erlebte nach eigenem Bekunden „eine hervorragende Veranstaltung, man kann sich beim Rot-Gold Köln für den Einsatz gar nicht genug bedanken.“

 

Denn in der Tat brauchte es neben zahlreichen Sponsoren und einem engagierten Organisationsteam um Angelina Brunone und Christa Hoffmann in diesem Jahr viele weitere helfende Hände, damit sich die Paare in den Standard- und Lateinamerikanischen Tänzen, im Showtanz und im erstmals integrierten Equality Discofox-Turnier, im sportlichen Wettstreit begegnen konnten. „Alle haben mitgeholfen, haben die Nacht über das Wasser hier rausgeschippt“, erinnert sich TTC-Tanzsporttrainer Martin Schurz an die ersten Sofortmaßnahmen, denen noch viele weitere folgen sollten. Doch all das habe sich gelohnt, findet Sofia Bogdanova, seit März 2024 erste Vorsitzende des TTC Rot-Gold Köln. „Die Veranstaltung war wunderbar, repräsentativ für den Tanzsport, und die Stimmung war großartig“, resümierte sie während des Galaballs zum Abschluss der beiden Wettkampftage.

 

Euaility-Tänzer beim Galaabend des TTC Rot-Gold Köln

Es war für die zahlreichen Gäste glanzvoller Höhepunkt der diesjährigen Deutschen Meisterschaften, und für den ausrichtenden Verein gleichermaßen. Nachdem bereits am ersten Turniertag Raphaela Edeler und Lara Theilen vom TTC Rot-Gold Köln souverän den Titel der Frauen im Standardtanz gewonnen hatten, während Andy Jekel und Aaron Krautscheid vom TSC Schwarz-Gelb Aachen Deutsche Meister in den lateinamerikanischen Tänzen wurden, gingen bei den Frauen im Rahmen des Balls alle Podiumsplätze nach Köln, und ein bisschen auch nach Düsseldorf.

 

Ein rheinisches Siegertreppchen

 

Nach Cha-Cha-Cha, Samba, Rumba, Paso Doble und Jive sicherten sich die amtierenden Weltmeisterinnen Marina Hüls und Magdalena Bauchmüller vom TTC Rot-Gold erneut auch den deutschen Meistertitel der Frauen Latein. Direkt dahinter platzierten sich Sarah Borchert und Ute Graffenberger, die für den TTC Rot-Gold-Köln und den TSC conTAKT Düsseldorf antraten. Angela Pikarski und Miriam Meister vom TSC Mondial Köln komplettierten das rheinische Siegertreppchen. Die beiden sicherten sich zudem die 10 Tänze Kategorie, da sie in Standard und Latein angetreten waren. Im nur drei Paare umfassenden Finale der Männer im Standardtanz las sich das internationaler: Axel Zischka und Valentin Regnault (Rainbow Evidanse Deutschland/Frankreich) siegten vor Filip Jensen und Niels Hartvigson (PanDans Dänemark) sowie Michael Kraus und Lars Tyborg Nørgaard  (Schwarz-Weiß-Club Esslingen Deutschland/Dänemark).

 

Die Weltmeisterinnen Marina Hüls und Magdalena Bauchmüller holten sich bei den Deutschen Meisterschaften den Titel

Christian Wenzel hat vor allem das Abschneiden der Latein-Frauen sehr gefreut, es sei „schön zu sehen, dass etwas nachkommt“, sagt er. Der Hintergrund: Die jeweils Führenden der beiden Siegerpaare, Marina Hüls und Sarah Borchert, waren einst durch seine Schule gegangen, „beide habe ich auf ihren ersten Turnieren begleitet“, wie er am Rande der Tanzfläche mit einem Lächeln anmerkt. Vor rund 30 Jahren hatte der mehrfache Weltmeister und Deutsche Meister in Standard und Latein einst Tanzkurse in Düsseldorfer Lesben- und Schwulenclubs angeboten, „und jedes Jahr erhöhte sich die Schülerzahl“. Und so habe er vor 25 Jahren den TTC conTAKT gegründet, fungiert dort seitdem als Haupttrainer. Doch ausgerechnet der positive Umstand, dass traditionelle Tanzvereine sich immer mehr für gleichgeschlechtliche Paare öffnen, mache es für den Equality Tanzsport schwerer, Nachwuchs zu finden, sagt Wenzel. „Die Zahlen gehen zurück.“

 

Das kann Jörg Jüngling bestätigen. „Auch wir haben, wie andere Vereine, Nachwuchssorgen, vor allem bei den Männern“, bekennt er. Die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre seien in den Tanzschulen und -vereinen spürbar. Aufgrund der Regularien aber dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht bei Turnieren antreten. „Deshalb braucht es einen Verband wie unseren“, betont der am Pfingstmontag gewählte DVET-Präsident aus Hamburg. Auch deshalb sei er sehr zufrieden, bei der dritten Ausrichtung einer Equality DM durch den TTC Rot-Gold „so viele Paare am Start zu haben“. Es seien, inklusive der Teilnehmer an den Seniorenmeisterschaften, um die achtzig gewesen, in der Mehrzahl aus Deutschland, als „Offene Meisterschaft“ jedoch auch mit Paaren aus dem Ausland.

 

Sarah Borchert und Ute Graffenberger, die für den TTC Rot-Gold-Köln und den TSC conTAKT Düsseldorf, holten Silber

"Kommunikation mit dem Publikum“

 

Die Stimmung, das Familiäre habe auch mit der Art der Ausrichtung zu tun, glaubt Jörg Jüngling. „Durch die Sichtungsrunden zur Eingruppierung in die Leistungsklassen sind alle von Anfang an dabei, das verbindet.“ Er spricht von der Tanzfamilie, die wichtiger sei als alles andere. Sicherlich gehe es auch um den Sieg. „Vor allem aber tanzen zwei Menschen miteinander, es gibt eine Kommunikation, auch mit dem Publikum“, das mache es für ihn aus. Nun ja, meint Jörg Jüngling dann mit einem Schmunzeln. „Wertungsrichter schauen sicher anders drauf.“ Tanzende erzählten Geschichten, erlebten Gemeinschaft, Identität und Freude, hatte jedoch auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker als Schirmherrin der Veranstaltung in ihrem Grußwort im Programmheft hervorgehoben. Tanz belebe „Geist, Körper und Seele“.

 

Dies war in der Tat spürbar, als im Laufe des Galaballs die Tanzfläche für alle freigegeben wurde. Zur Musik von Andrea Schlinkert, selbst einst erfolgreiche Turniertänzerin, ließen sich die Gäste gerne bitten. Zuvor hatte Andreas Wolter, Bürgermeister der Stadt Köln und erster Stellvertreter der Oberbürgermeisterin, sich beim Verein für die Veranstaltung bedankt. Man sei stolz auf die erfolgreichen Tänzerinnen und Tänzer aus der Stadt, freue sich „aber über wirklich alle Tanzpaare“, wie er versicherte.  Der Dank an die vielen Helferinnen und Helfer, die „für ein trockenes Dach gesorgt haben“, durfte auch bei ihm keinesfalls fehlen.

 

Die Vereinsvorsitzende hörte dies zweifellos gerne. Als der TTC Rot-Gold Köln sich vor vielen Jahren dazu entschieden habe, die Welt des Tanzes mit Offenheit und Vielfalt zu bereichern, habe wohl niemand geahnt, „welch großartige Reise bevorstand“, so Sofia Bogdanova. Erneut die Deutschen Equality-Meisterschaften auszurichten ist für die Tanztrainerin „ein Ereignis, das unsere Verbundenheit und Leidenschaft für den Tanzsport in all seinen Facetten zelebriert“. Das gilt für Bogdanova auch unter den erschwerten Bedingungen 2024. Mit Blick in den Ballsaal und auf all die tanzenden, feiernden Menschen stellte sie am späten Abend mit Nachdruck klar: „Wir würden es immer wieder machen.“

 

 

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Ein Projekt aus dem Jahr 2011. Meine Fotografenkollegin Marlene Mondorf und ich zogen los, sprachen Menschen auf der Straße an und haben sie spontan porträtiert. In Bild und Text. Uns hat es sehr viel Spaß gemacht. Die Ergebnisse sind unter www.peeple.jimdo.com zu finden.